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Team Interviews | 15.03.2022

"Um auf diesem Niveau Rennen zu fahren muss man sowieso die ganze Saison in Topform sein" - Frederik Wandahl im Interview

Red and white, Danish Dynamite - hier kommt unser einziger Fahrer aus Skandinavien, Frederik Wandahl. Wie Frederik als Radprofi dem nordischen Winter entflieht, warum er seine Freundin von seinen Zukunftsplänen erst noch überzeugen muss und die emotionale Geschichte hinter seinen Gedanken vorm Start eines Rennens. 

 

 

Es ist dein zweites Jahr bei BORA - hansgrohe - was gefällt dir besonders am Team? 

Man arbeitet super professionell und gleichzeitig sind wir eine große Familie. Mir gefällt die offene Kommunikation mit den Trainern und den sportlichen Leitern. Wir bekommen viel Freiraum, um uns als Athleten zu entwickeln und unseren Platz in der Radsportwelt zu finden. 

 

Wie hast du dein erstes Jahr bei BORA - hansgrohe erlebt?

Das war echt ein hartes Jahr für mich! Es war meine erste Saison in der Worldtour und das nach einem Jahr, in dem es durch die Pandemie nur sehr wenige Rennen gab. Ich hatte 2020 nur wenige Renntage und so war die Saison 2021 schon ein großer Schritt für mich. Körperlich und mental ein intensives Jahr, in dem ich aber auch sehr viel gelernt habe. 

 

Wie würdest du deine Entwicklung beschreiben seitdem du zum Team gekommen bist?

Ich habe mich auf jeden Fall um ein großes Stück weiter entwickelt - als Fahrer und als Mensch. Um auf einem solch hohen Niveau Rennen zu fahren ist es meiner Meinung nach essentiell, auf beiden ebenen weiter zu kommen. Das Team und meine Teamkollegen haben mir dabei sehr geholfen. Langsam fühle ich mich nicht mehr als junger, schüchterner Fahrer, sondern als ein Fahrer, der bereit ist mit den großen Jungs Rennen zu fahren. 

 

Wie sieht deine Planung für die Saison aus? Welche Ziele hast du in diesem Jahr?
Das Wichtigste Ziel für mich ist, es mich als Fahrer weiter zu entwickeln. Im Detail heiß das zum Beispiel, dass ich lernen muss, Rennen und besonders das Finale besser zu lesen. In der Vergangenheit ist mir das oft schwer gefallen und mit etwas mehr Renninteligenz wären bessere Resultate möglich gewesen. Bei kleineren Rennen möchte ich selbst Ergebnisse holen, bei den großen Rennen möchte ich meine maximale Leistung abrufen, um das Team optimal unterstützen zu können. 

 

Gab es Veränderungen in deiner Vorbereitung?

Den Winter im sonnigen Süden Spaniens zu verbringen war mit Sicherheit die größte Veränderung meiner Vorbereitung. Mir gefällt es hier auf Mallorca sehr gut und den ganzen Winter hier zu verbringen ist einfach eine komplett neue Dimension des Wintertrainings für mich. Generell ist es die Erfahrung vom letzten Jahr, die meine Einstellung und Herangehensweise zum Radsport nochmal etwas verändert hat. 

 

Gibt es etwas, das du in den letzten Jahren gelernt hast, das dir jetzt hilft deine Ziele zu verfolgen? Physisch oder psychisch? 

Physisch habe ich meinen Körper besser kennen gelernt und kann besser einschätzen, wie ich auf Stress reagieren. Auch auf die Renne auf World Tour Niveau habe ich mich angepasst. Mehr Renntage, mehr Reisetage. Auf der mentalen Ebene habe ich mir ein positiveres Mindset zugelegt. Ich versuche immer die Positiven Dinge zu sehen und auf diesen aufzubauen. Eine gute Stimmung und eine positive Grundeinstellung helfen mir sehr dabei, meine mentale Gesundheit zu erhalten. 

 

Dein erster Saisonhöhepunkt 2022?
Mein erste Höhepunkt wird rund um die Baskenlandrundfahrt sein. Von dort bis zur Tour of Norway gilt es die Form zu halten. Aber um generell auf diesem Niveau Rennen zu fahren muss man sowieso fast die ganze Saison in Topform sein. Meine Form allgemein auf einem hohen Niveau zu halten und so das Team bestmöglich unterstützen zu können ist auf jeden Fall das Hauptziel für mich. 

 

Das für dich Wichtigste am Radsport? Wie bleibst du motiviert?
In erster Linie sind es Ziele im Radsport die mich motivieren. Besser zu sein als gestern - das gibt meiner Moral täglich einen Push. Neben den Ziel ist es für mich wichtig, außerhalb des Radsports ein geordnetes Leben zu führen. Eine gutes, geerdetes Umfeld hilft mir sehr, am Ende auf dem Rad eine gute Leistung zu bringen. 

 

Die Bedeutung von Radsport in Dänemark
Radsport ist groß in Dänemark! In diesem Jahr haben wir mit dem Start der Tour de France das größte Rennen der Welt zu Gast in Dänemark. Wir haben so viele gute  und erfolgreiche Radfahrer im Land, das ist schon ziemlich cool für so ein kleines Land. Die Tour de France gibt dem Radsport in Dänemark hoffentlich nochmal einen weiteren Schub. 

 

Dein Lieblingsmoment im Rennen?
Einer der besten Momente, der besten Tage als Radprofi war der Etappensieg von Peter Sagan bei der Katalonienrundfahrt im letzten Jahr. Wir haben als Team so hart für diesen Sieg gearbeitet und bereits von Kilometer null absolut alles gegeben. Wenn du so viel Energie und Arbeit in etwas steckst und es sich am auszahlt - ein unglaubliches Gefühl!
Ein besonderer Moment für mich war auch die Silbermedaille bei der Dänischen Meisterschaft. Ich war nah dran am Sieg, es war ein richtig gutes Rennen und Silber fühlte sich am Ende fast wie ein Sieg an. 

 

Der lustigste Moment am Rad oder im Rennen?
Einen einzelnen Moment gibt es eigentlich nicht, aber es ist einfach cool, wenn wir als Team Spaß zusammen haben. 

 

Du lebst in Dänemark - die Winter in Skandinavien sind nicht unbedingt ideal für einen Radprofi. Hast du darüber nachgedacht in den Süden zu ziehen?
Wir haben wirklich zähe Winter und das war dann auch der Grund, weshalb ich über den Winter nach Mallorca ausgewandert bin. Wetter und Topographie auf der Insel sind einfach perfekt für mich. Skandinavische Winter sind mehr als suboptimal für Radprofis. 

 

Was machst du um dich zu erholen und den Kopf frei zu bekommen?
Ein paar Tage auf Ski im Winter tun mir richtig gut. Ganz allgemein treffe ich mich gerne mit Freunden, hier fällt es mir leicht, einmal nicht an den Sport zu denken. Wenn ich Zuhause bin gehe ich gerne Fischen - das ist Entspannung pur und schon fast meditativ für mich.

 

Wo siehst du dich selbst in zwei bis drei Jahren als Radprofi? Wo siehst du dich in zehn bis 15 Jahren als Person?
In zwei bis drei Jahren sehe ich mich auf jeden Fall noch als Radprofi. Hoffentlich habe ich bis dahin weitere Schritte in meiner Entwicklung durchgemacht und vielleicht auch den ein oder anderen Sieg geholt. In zehn bis 15 Jahren bin ich definitiv schon näher am Ende meiner Karriere. Einen klassischen Bürojob kann ich mir nur schwer vorstellen. Ein Bauernhof wäre ein kleiner Traum von mir. Meine Freundin ist von diesen Plänen allerdings noch nicht so ganz überzeugt. Vielleicht können wir uns auf einen kleinen Bauernhof einigen. 

 

Radsport in drei Wörtern
Verrückt - schnell - unvorhersehbar 

 

Welche Titel würde deine Autobiographie tragen?

Schwer zu sagen… „Ein Leben auf der Straße“ vielleicht. Das trifft ganz gut die Mischung aus Radsport und den vielen Reisetagen. Ansonsten vielleicht „Paincave“ oder „Being in the Zone“.
Das Buch wäre auf jeden Fall nicht nur über den Sport. Für mich ist Radsport einfach so viel mehr. Es ist ein Lebensstil, ein großes Abenteuer mit viel Höhen und Tiefen, mit Menschen die man trifft, mit Orten an die man kommt und mit vielen, intensiven Gefühlen. 

 

Gibt es ein Ritual oder eine Routine die du vor dem Rennen machst, die dir Glück bringen soll?

Ein richtiges Ritual habe ich nicht. Vor jedem Rennen aber nehme ich mir ein wenig Zeit für mich und für meine Gedanken. Ich denke darüber nach, weshalb ich hier bin und was ich hier mache. Ganz besonders denke ich in diesen Momenten an einen guten Freund, der vor einigen Jahren verstorben ist. Wir hatten den gleichen Traum, wir wollten beide Radprofi werden, wir haben uns immer gegenseitig motiviert. Heute  habe ich es geschafft und bin Radprofi - er kann leider nicht mehr hier sein. Ich denke es ist ein Stück weit meine Aufgabe den gemeinsamen Traum zu leben und die Rennen für und mit ihm zu fahren. Ich wünschte er wäre hier und wir könnten zusammen Rennen fahren! 

 

Vielen Dank für das Interview Frederik!

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